Feldpostbrief aus der Zeit der napoleonischen Kriege, geschrieben in Magdeburg am 20.3.1812:
1. Transkript:
»Machtenburg [Magdeburg] d 20ten Märtz 1812
Viel geliebte
Eltern euer Schreiben von 13ten December hab ich erhalten welches mich sehr erfreut, und ich möchte wünschen das dieses mein Schreiben euch bey guter gesundheit antrefen mögte, was mich anbelangt seye ich noch frisch und gesundt aber wir haben die Zeit als ich nicht mehr geschrieben haben viele beschwerlicher Reisen gehabt welchen und alle so weit zurück gesetz hat das wir fast alle Graut werden was das schlimsten ist, es ist eine böhse Luft hier denn die Ausländer werden alle krank. In Machtenburg werden allen die vorstätt weggerißen nicht noch 800 Häußer in der Stadt hier wird noch viel vester gemacht als sie ist weiter weiß ich nicht neues als wir haben 3 Monnat kein Geldt mehr bekommen, so ihr mögt so gut und macht mir 6 Neuenthaler schicken denn ich brauch sie nothiger
Schreibt mir nicht mehr so wie der letzten Brief denn er hat mich sehr vertrießlich gemacht, und was das schlimste war er hat mich zwanzig Su gekost und habt kein Su mit im gehabt. Hier mit schließ ich meinen Brief und verbleibe euer getreuer Sohn
Philipp Frantzen
Ich Grüße euch viel Taußent mahl
[Adresse vorn]
Monsieur a Monsieur
Jeng Franzen a Santwentel
Depardement de la Saar
Aradisement Saarbruck
a Santwendel p. Hombourg«
2. Person:
Philipp Franzen, der aus dem Kanton St. Wendel im Saarland stammende Schreiber dieses Briefes, gehörte zu den so genannten »Reichsfranzosen« bzw. »Nicht-Franzosen« in der "Grande Armee".Geboren wurde Franzen am 19. September 1791 in St. Wendel als Sohn des Schuhmachers Johann (Jean) Frantzen und seiner Frau Barbara Franzen, geborene Cloos. Er diente im 56. Linien-Infanterie-Regiment (56ème régiment de ligne), das dem 2. Armeekorps unter Marschall Nicolas Oudinot, Herzog von Reggio, und dort der 6. Division unterstellt war.
3. Dokument:
Stempel in roter Farbe "No. 5 ARM. D'ALLEMAGNE" auf der Adressseite
4. Allgemeiner Historischer Kontext:
Die Französische Revolution und das Kaiserreich Napolens I. bedeuteten für das Saarland einen fundamentalen Epocheneinschnitt. Fast 20 Jahre lang wurde es integraler Bestandteil Frankreichs und hatte so unmittelbar Anteil an der französischen Entwicklung mit der Aufhebung der Feudalrechte und der Errichtung einer Eigentümergesellschaft. Als Département de la Sarre wurde es zu einem französischen Verwaltungsbezirk, der nach der Eroberung der linksrheinischen deutschen Territorien durch die französischen Revolutionsarmeen (1794) im Jahre 1798 eingerichtet wurde: Völkerrechtlich erfolgte die Abtretung durch den Frieden von Lunéville am 9. Februar 1801. Es erstreckte sich von der Nordeifel bei Blankenheim bis in das heutige Saarland.
Die Präfektur des Département de la Sarre befand sich in Trier. Es war gegliedert in die Arrondissements Trier, Birkenfeld, Prüm und Saarbrücken (Sarrebruck). Hierzu gehörten die Kantone Blieskastel, Lebach, Merzig, Ottweiler, Saarbrücken, Sankt Arnual (jetzt Stadtteil von Saarbrücken) St. Wendel und Waldmohr. Der größte Teil des 4935 Quadratkilometer umfassenden Gebietes gehörte zuvor zum Kurfürstentum Trier. Die Einwohnerzahl betrug 273 569 Einwohner (1809).
Für die männlichen Einwohner hatte die Annexion besonders weit reichende Folgen, da sie fortan zum Dienst in der französischen Armee gezogen werden konnten und wurden. Die »Grande Armée« besaß zahlreiche »nicht-französische« Truppe. Das Große Hauptquartier, die kaiserliche Garde, das 1., das 2. und das 3. Armeekorps bestanden überwiegend aus »reichsfranzösischen« Truppen. Diese Truppen galten unbestritten als »Kern der Grande Armée«, obwohl sie eine Reihe »fremder« Truppen besaßen. Auch das 1., 2. und 3. Kavalleriekorps enthielt zahlreiche fremde Regimenter. Diese waren allerdings mit den reichsfranzösischen Einheiten so vermengt, dass diese Kavalleriekorps als »überwiegend französisch« galten. Dabei bleibt allerdings unberücksichtigt, dass zahlreiche der »reichsfranzösischen« Soldaten in Gebieten konskribiert wurden, die erst nach der Revolution von Frankreich annektiert worden sind, wie zum Beispiel das Saarland und das Rheinland, deren Bewohner sich in der Regel nicht als »Franzosen« fühlten. Insgesamt galten etwa 300.000 Mann des Heeres als »Reichsfranzosen«. Damit waren weit mehr als die Hälfte der Soldaten der Grande Armee »Nicht-Franzosen«.
Zitiervorschlag
Feldpostbrief von Philipp (Filipp) Franzen an seinen Vater Jean Franzen in St. Wendel im Saarland, 20.3.1812; Museumsstiftung Post und Telekommunikation, Inventarnummer: 3.2012.560,
URL: https://onlinesammlung.museumsstiftung.de/detail/collection/ac4d1985-51ac-4456-bdcb-d21a2cb04eaa (zuletzt aktualisiert: 26.11.2024)