Geografischer Bezug
Deutschland, Belgien, Brügge, Brüssel, St. Wendel
Geografischer Bezug
Preußen
Feldpostbrief aus der Zeit der napoleonischen Kriege, geschrieben vermutlich in Brügge am 11. August 1811:
1. Transkript:
»Brüklen [Brügge?; Brüssel?] d. 11ten August 1811
Herzvielgeliebte Eltern und Bruder ich kann nicht unterlaßen ein paar Zeilen an euch zu schreiben das ihr doch wißt wo ich seye den Brief wo ihr mir geschickt habt habt mit der Carlien [?] hab ich in Amsterdam richtig erhalten und daraus ersehen das ihr noch alle Frisch und Gesundt seyed welches mich sehr erfreuet hat was mich anbelangt seye Gott sey Dank auch noch Frisch und Gesundt so lang als Gott will, aber die Carlien war all ob der Brief kommen ist wenn ihr so gut wärt und that mir noch zwey Groschen Thaler schicken denn will ich mich mit behelfen bis Christag denn bey dem Langendörfer hab ich mir 8 Franken gelehnt dem muß ich sie wieder geben und meine Uhr hab ich versetzt gehabt vor 9 Franken und in Amsterdam seyn wir wieder verschanschiert unter anderm Bataliohn Da mußt ich mir wieder 9 Franken lehnen um meine Uhr zu lösen da könnt Ihr denken wie viel ich noch hab
Ich muß auch noch etwas zwischen tun das ich den Johannes Katole [?] angetrofen hab in Bisanso [Besancon] 5 täg darvor ob mir fort seyn das war der einzige den ich angetrofen hab die ganzezeit den zweyten July seyn wir vort von Bisanso den 3 August seyn wir in Holandt angekommen da liege wir bey den Bauern auf den Dorf da get es so wie es geht Weiter weiß ich nicht schreiben Als ich grüß auch viel Sansent [?] Miral [?] Vatter Mutter und Bruder Alle Gute Freunde Bekannte Verwanden und unsern Haußmann
Atres
Die Adres macht an das 3 Bataljon 2 Compagnie 56tes Regiment
Zusatz:
[…]
Die Vollmacht habenz nicht mehr unterschreiben können lasen denn die Ofenzier [?] von unser Bataljon seyn alle fort pp.
Philipp Franzen
[Adresse vorn]
Monsieur A Monsieur
Jeng Franzen a Santwendel Departement de Saar aradisemem
Saarbruck Canton Santwendel
Jeng Franzen […]«
2. Person:
Philipp Franzen, der aus dem Kanton St. Wendel im Saarland stammende Schreiber dieses Briefes, gehörte zu den so genannten »Reichsfranzosen« bzw. »Nicht-Franzosen« in der "Grande Armee".Geboren wurde Franzen am 19. September 1791 in St. Wendel als Sohn des Schuhmachers Johann (Jean) Frantzen und seiner Frau Barbara Franzen, geborene Cloos. Er diente im 56. Linien-Infanterie-Regiment (56ème régiment de ligne), das dem 2. Armeekorps unter Marschall Nicolas Oudinot, Herzog von Reggio, und dort der 6. Division unterstellt war.
3. Dokument:
Keine Stempel; Adressseite weist ev. Beförderungsvermerk auf: "95 c"
4. Allgemeiner historischer Kontext:
Die Französische Revolution und das Kaiserreich Napolens I. bedeuteten für das Saarland einen fundamentalen Epocheneinschnitt. Fast 20 Jahre lang wurde es integraler Bestandteil Frankreichs und hatte so unmittelbar Anteil an der französischen Entwicklung mit der Aufhebung der Feudalrechte und der Errichtung einer Eigentümergesellschaft. Als Département de la Sarre wurde es zu einem französischen Verwaltungsbezirk, der nach der Eroberung der linksrheinischen deutschen Territorien durch die französischen Revolutionsarmeen (1794) im Jahre 1798 eingerichtet wurde: Völkerrechtlich erfolgte die Abtretung durch den Frieden von Lunéville am 9. Februar 1801. Es erstreckte sich von der Nordeifel bei Blankenheim bis in das heutige Saarland.
Die Präfektur des Département de la Sarre befand sich in Trier. Es war gegliedert in die Arrondissements Trier, Birkenfeld, Prüm und Saarbrücken (Sarrebruck). Hierzu gehörten die Kantone Blieskastel, Lebach, Merzig, Ottweiler, Saarbrücken, Sankt Arnual (jetzt Stadtteil von Saarbrücken) St. Wendel und Waldmohr. Der größte Teil des 4935 Quadratkilometer umfassenden Gebietes gehörte zuvor zum Kurfürstentum Trier. Die Einwohnerzahl betrug 273 569 Einwohner (1809).
Für die männlichen Einwohner hatte die Annexion besonders weit reichende Folgen, da sie fortan zum Dienst in der französischen Armee gezogen werden konnten und wurden. Die »Grande Armée« besaß zahlreiche »nicht-französische« Truppe. Das Große Hauptquartier, die kaiserliche Garde, das 1., das 2. und das 3. Armeekorps bestanden überwiegend aus »reichsfranzösischen« Truppen. Diese Truppen galten unbestritten als »Kern der Grande Armée«, obwohl sie eine Reihe »fremder« Truppen besaßen. Auch das 1., 2. und 3. Kavalleriekorps enthielt zahlreiche fremde Regimenter. Diese waren allerdings mit den reichsfranzösischen Einheiten so vermengt, dass diese Kavalleriekorps als »überwiegend französisch« galten. Dabei bleibt allerdings unberücksichtigt, dass zahlreiche der »reichsfranzösischen« Soldaten in Gebieten konskribiert wurden, die erst nach der Revolution von Frankreich annektiert worden sind, wie zum Beispiel das Saarland und das Rheinland, deren Bewohner sich in der Regel nicht als »Franzosen« fühlten. Insgesamt galten etwa 300.000 Mann des Heeres als »Reichsfranzosen«. Damit waren weit mehr als die Hälfte der Soldaten der Grande Armee »Nicht-Franzosen«.
Zitiervorschlag
Altbrief; Feldpostbrief von Philipp (Filipp) Franzen an seinen Vater Jean Franzen in St. Wendel / Saarland, 1811, 11.8.1811; Museumsstiftung Post und Telekommunikation, Inventarnummer: 3.2012.413,
URL: https://onlinesammlung.museumsstiftung.de/detail/collection/04b0a67f-f33a-4c58-9e5d-11b8d4794a0a (zuletzt aktualisiert: 27.11.2024)