Schlagworte
Optische Telegrafie, Frankreich, Paris, Chappe, Claude, Louvre, Reichspostmuseum
Der Lichtdruck zeigt den Pavillon d'Horloge auf dem Westflügel des Louvre in Paris. Auf dem Dach befindet sich ein verglastes Observationszimmer, das als Plattform für die technische Einrichtung des optischen Telegrafen dient.
Die Station auf dem Louvre war eine Endstation der optischen Telegrafenlinie, die 1794 von Claude Chappe zwischen Paris und Lille eingerichtet wurde. Sie steht am Anfang des weitverzweigten optischen Telegrafennetzes in Frankreich, mit dessen Hilfe verschlüsselte Nachrichten in nie gekannter Geschwindigkeit übertragen werden konnten. Die optische Telegrafie war bis zu ihrer Umstellung auf elektrischen Betrieb bis in die 1850er Jahre hinein in Frankreich in Gebrauch.
Die Eröffnung der optischen Telegrafenlinie zwischen Paris und Lille im August 1794 sorgte in ganz Europa für helle Aufregung. Das öffentliche Interesse an dieser neuartigen "Luftpost" war groß und in Deutschland erscheint nach ersten Presseberichten bereits im Oktober ein erster Augenzeugenbericht. Als Brief an einen deutschen Freund verfasst, vermittelt das dünne Heftchen einen unmittelbaren Eindruck von Form und Funktionsweise des Telegrafen. Es sind insbesondere die beigefügten Abbildungen, allen voran die Abbildung des Telegrafen auf dem Louvre und das beigefügte Zeichen-Alphabet, die die Neugierde des Publikums bedienen und schließlich den großen Erfolg des Buches bedingen. Das dünne Heftchen wird zum "Bestseller" und in den folgenden Monaten mehrmals neu aufgelegt.
Dabei war weder die Darstellung des Telegrafen noch die schriftliche Beschreibung ganz korrekt. Selbst das Zeichen-Alphabet, dessen sich der Leser zum Entschlüsseln einer aktuellen Nachricht aus Paris bedienen konnte, entspringt der Fantasie. Noch 1824 nennt Ignace Chappe, ein Bruder Claudes, in seiner "Histoire de la Télègraphie" die Abbildung schlecht und die Beschreibung noch schlechter, doch er kommt nicht umhin zu erwähnen, dass sich das Heftchen sofort mit dem Erscheinen 6000-mal verkauft habe (S. 147).
Die zahlreichen Auflagen verbreiten die Abbildung des Telegrafen auf dem Louvre in verschiedenen Variationen, denn aufgrund der hohen Auflagenzahlen müssen die Kupferstiche mehrmals neu gestochen werden. Neben dieser werkseigenen Vervielfältigung wird das Motiv von anderen Autoren kopiert und variiert, so zum Beispiel von dem deutschen Mathematiker Johann Lorenz Böckmann, der nur wenige Wochen nach dem Augenzeugenbericht seinen "Versuch über Telegraphic und Telegraphen" veröffentlicht. Binnen kurzer Zeit wird der Telegraf auf dem Louvre zur Ikone. Das Bild ist so fest verankert in der (deutschsprachigen) Literatur und Presse über die optische Telegrafie, dass sich ein Grafiker noch 1833 dazu verleiten lässt, auch den preußischen Telegrafen anlässlich der Einweihung der Telegrafen-Linie zwischen Berlin und Koblenz auf einem Louvre-ähnlichen Turm darzustellen.
Bis heute ist insbesondere die Tafel 1 aus dem Augenzeugenbericht von 1794 mit dem Telegrafen auf dem Louvre sicher das populärste Motiv zum Thema optische Telegrafie in der deutschsprachigen Literatur.
Die vorliegende Reproduktion entstand vermutlich nach dem Kupferstich aus der Erstauflage des Augenzeugenberichts. Noch heute befindet sich in der Bibliothek des Museums für Kommunikation Frankfurt ein Exemplar dieser Auflage aus dem Bestand des Reichspostmuseums (Signatur: I Cba 50). In diesem Exemplar wurde die Seite mit dem Kupferstich herausgetrennt. Sie befindet sich heute in dem handschriftlichen Bericht von Franz August O'Etzel, den "Memoire über die Telegraphie in Frankreich" (1834), das im Archiv des Museums erhalten ist (Signatur: I Cba 93). Sicher wurde der Kupferstich später das Memoire zur Illustration beigefügt, ob von O'Etzel selbst oder in späteren Jahren, ist heute nicht nachvollziehbar.
Sicher entstand der Lichtdruck nach dem Kupferstich zu dem Zeitpunkt, als das Berliner Reichspostmuseum einen Sammlungskatalog produzieren ließ. Die erste Auflage erscheint 1889, eine zweite, erweiterte wird 1897 veröffentlicht. In beiden Ausgaben leitet die Abbildung des Kupferstichs aus dem Augenzeugenbericht von 1794 die Sammlungsgruppe "Optische Telegraphie" ein (Abteilung VIII). Die Beschriftungen auf der Rückseite der Reproduktion sind möglicherweise in diesem Kontext als Bemerkungen zum Druckbild zu verstehen.
Digitalisate des Augenzeugenberichts stehen online zu Verfügung:
Ausgabe 1794 (Leipzig: Baumgärtner), Eidgenössische Technische Hochschule Zürich, http://dx.doi.org/10.3931/e-rara-3914
Ausgabe 1794 (Leipzig: Baumgärtner), Bayrische Staatsbibliothek, http://www.mdz-nbn-resolving.de/urn/resolver.pl?urn=urn:nbn:de:bvb:12-bsb10306482-7
Ausgabe 1794 (Wien: Baumeistersche Buchdruckerey), Österreichische Nationalbibliothek, http://data.onb.ac.at/ABO/%2BZ59427405
Ausgabe 1795 (Augsburg: Bullmann), Bayrische Staatsbibliothek (Taf. 1 fehlt), http://www.mdz-nbn-resolving.de/urn/resolver.pl?urn=urn:nbn:de:bvb:12-bsb10811074-5
Zur Adaption des Motivs vgl. auch die Darstellung des optischen Telegrafen in Bertuchs "Bilderbuch für Kinder" unter Inv.Nr. 4.2005.411, 4.2012.445, 4.2009.960, 3.0.12840.
Zitiervorschlag
Lichtdruck eines Kupferstichs: Der optische Telegraf auf dem Louvre in Paris; nach einem Kupferstich von 1794, gegen 1889; Museumsstiftung Post und Telekommunikation, Inventarnummer: 4.2012.695,
URL: https://onlinesammlung.museumsstiftung.de/detail/collection/e85f21bc-a8be-464f-abb5-7d9714c525bf (zuletzt aktualisiert: 26.11.2024)