Herstellungsort
Backnang, Baden-Württemberg, Deutschland
Verwendungsort
Darmstadt, Hessen, Deutschland
Systematik
Datenkommunikation, Internet/Computer, Rechner, Datenverarbeitung/Rechner und Computer/Großrechner, Mainframes
Der Telexdienst, die Kommunikation zwischen Fernschreibern über ein eigens dafür entwickeltes Fernmeldenetz, umfasste Ende 1969 74.403 Anschlüsse. Mit rund einem Viertel aller Telexanschlüsse der Welt, war das Telexnetz der Deutschen Bundespost damit das größte der Welt. In den beiden Vorjahren hatte der Telexverkehr in Deutschland eine Wachstumsrate von rund 17 (1967) und 13,2 (1968) Prozent und auch in den Jahren nach 1969 entwickelte sich der Telexdienst rasant weiter, sodass 1972 bereits rund 93.000 Telexanschlüsse vorhanden waren. Angesichts dieser Zahlen und der damit verbundenen laufenden Aktualisierung des Auskunftssystems über die Teilnehmernummern, beschloss die Deutsche Bundespost die bisher rein personelle Auskunftserteilung sowie die Erstellung des amtlichen Verzeichnisses der Telexteilnehmer mit Hilfe einer digitalen Rechneranlage zu automatisieren. Die Hardware und die Software dieser Anlage entwickelte die Firma AEG-Telefunken in Zusammenarbeit mit dem Fernmeldetechnischen Zentralamt (FTZ) in Darmstadt. Nach deren Plänen entstand zwischen 1969 und 1972 diese Digitalrechneranlage für die automatische Telexauskunft, die 1973 - als weltweit erstes rechnerbasiertes Auskunftssystem - im Rechenzentrum der Deutschen Bundespost in Darmstadt in Betrieb genommen wurde.
Herzstück des Systems war der Digitalrechner TR 86, den Telefunken Ende der 1960er Jahre entwickelt hatte. Lochstreifen- und Lochkartengeräte, ein Magnetband- und zwei Festplattenlaufwerke sowie ein Schnelldrucker und ein speziell hergestellter Fernmeldemultiplexer, der die Verbindung zwischen mehreren Fernschreibteilnehmern und dem Rechner herstellte, erweiterten den Digitalrechner zu einer mehrteiligen Rechneranlage. Gesteuert wurde das System über das von Telefunken entwickelte Sichtgerät "SIG 100", das zu den ersten Monitoren gehörte, über die Vektorgrafiken darstellbar waren. Neben den von AEG-Telefunken selbst entwickelten Geräten, die das Unternehmen größtenteils von der kalifornischen Burroughs Corporation herstellen ließ, setzt sich die Anlage auch aus Objekten anderer Hersteller zusammen, die - mit Ausnahme der Wechselplattenspeicher - alle dem Telefunken-Design des Digitalrechners TR86 farblich angeglichen und mit dem Telefunken Markennamen versehen wurden. Aus Sicherheitsgründen war die Anlage in doppelter Ausführung aufgestellt, damit der Betrieb auch bei einer Störung aufrechterhalten werden konnte. Außerdem konnten dadurch Programm- und Datenbankupdates durchgeführt werden, ohne das System abschalten zu müssen.
Bei einer Abfrage wurde der Anfragende zunächst mit dem Rechner verbunden, der sich mit seiner Kennung meldete und die des Anfragenden abfragte. Dann fragte der Rechner, ob Auskunft über einen Teilnehmer gewünscht wird. Insofern diese Frage mit nein beantwortet wurde vermittelte der Rechner automatisch an einen handbedienten Auskunftsplatz. Antwortete er mit ja, forderte ihn der Rechner auf, seine Anfrage zu übermitteln. "Diese darf nur aus echten Suchbegriffen (Name, Ort, Straße usw.) bestehen, da der Rechner andere Eingaben, z.B. das Wort 'bitte", auch als Suchbegriff verstehen würde", erklärt ein Artikel im Heft 2 der Zeitschrift Technische Mitteilungen AEG-Telefunken im Jahr 1973 den Vorgang. 48 Teilnehmer konnten auf diese Art gleichzeitig Auskunft erfragen und erhielten ihre Antwort in weniger als 20 Sekunden. Allerdings hing das mit der Präzision der Suchbegriffe zusammen, sodass anfangs auch Missmut aufkam. Ein Artikel der Wochenzeitung DIE ZEIT vom Mai 1974 sprach von einer "Telex-Computer-Panne" und einem Computer, der "laienhaft programmiert" und überflüssig sei, weil die Suchabfrage "die Zeit, Hamburg", zu 18 Ergebnissen führte, unter denen aber die Redaktion in Hamburg nicht zu finden war.
Ungeachtet anfänglicher Probleme im Umgang mit der vollautomatischen Telexauskunft hatte der "Vorreiter der Post von morgen", wie ein Sprecher des Fernmeldetechnischen Zentralamtes Darmstadt die Anlage bezeichnete, durchaus Erfolg. Über zehn Jahre lang - von 1973 bis 1985 - war diese Rechenanlage und ihre Zwillingsschwester in Darmstadt im Einsatz. Eine der beiden Rechneranlagen, die Anlage Nr. 169, kam 1988 direkt in die Sammlung der Museumsstiftung und hat sich so nahezu komplett erhalten. Historische Fotografien der Anlage zeigen, dass ursprünglich zwei Lochstreifengeräte zur Anlage gehörten, die heute fehlen. Wahrscheinlich wurden sie Ende der 1980er Jahre zusammen mit der Zwillingsanlage entsorgt. Dann übernahm ein modernerer Computer ihre Aufgabe. Zu diesem Zeitpunkt waren die Telex-Anschlüsse bereits rückläufig - ein Trend, der sich in den 1990er und 2000er Jahren fortsetzte. Am 31.12. 2007 beendete die Deutsche Telekom schließlich den Dienst.
Zitiervorschlag
Rechneranlage "TR 86" für vollautomatische Telexauskunft, 1969 - 1972; Museumsstiftung Post und Telekommunikation, Inventarnummer: 4.2003.629.0,
URL: https://onlinesammlung.museumsstiftung.de/detail/collection/e8bd4fe5-eddd-4a69-bd3c-ebd7ae1918fa (zuletzt aktualisiert: 26.11.2024)