Eichler, Anja: Textbeitrag im Katalog "Kunst und Kommunikation"
Der 1868 in Samter (Posen) geborene und 1944 in Wien gestorbene Künstler unternahm Reisen nach Ägypten, Italien, Dänemark und Russland. Max Friedrich Ferdinand Rabes war ein Schüler des Berliner Malers Paul Graeb.
Vor einem Zaun, hinter dem eine öffentliche Parkanlage zu sehen ist, bedient auf offener Straße ein Schreiber weibliche Kundschaft. Die Figurengruppe des Schreibers und der drei Frauen bildet das Zentrum der Komposition. Er hat seinen Schreibtisch unter einem Baldachin platziert und ist in seine Arbeit vertieft. Er verfasst einen Brief, vermutlich für die verschleierte Frau zu seiner Linken, die sich ihm konzentriert zuwendet und diktiert. Zerknülltes Papier auf dem Boden zeugt von verworfenen Formulierungsbemühungen. Zwei weitere dunkelhäutige Frauen, eine mit einer Zigarette in der Hand, vermitteln mit ihren weiten Gewändern und dem strahlenden Kopfputz orientalische Exotik. Der Versuch, einen vielleicht verbotenen Brief in Auftrag zu geben, wird von einem weiteren Schreiber im Hintergrund rechts argwöhnisch beobachtet.
Charakteristisch für die Malweise Rabes´ ist die Umsetzung von Licht und Schatten und die Aneinandersetzung nah beieinander liegender Farbvaleurs, die auf Erfahrungen der Plein-Air-Malerei und impressionistische Einflüsse hindeuten. Max Rabes war gleichzeitig als Maler, Buchillustrator und Bildhauer tätig und steht wegen seiner Sujets, die er seit etwa 1890 auf seinen Reisen in den Orient fand, neben Johann Hermann Kretzschmer, Ferdinand Ballermann, Max Schmidt, Ernst Körner, Felix Possart oder Adolf von Meckel als jüngster in einer Reihe Berliner Orient- und Reisemaler im 19. Jahrhundert, die sich unabhängig voneinander diesem Sujet verschrieben, ohne eine feste Gruppierung zu bilden. Auf zahlreichen Reisen durch Ägypten, Italien, Griechenland, Dänemark und Russland hielt Rabes in Genreszenen fest, was er im Alltag beobachtete. Die Reisen erstreckten sich über einen Zeitraum von knapp zwanzig Jahren, von 1889 bis 1906. Im Alter von zwanzig Jahren bereiste Rabes zum ersten Mal Ägypten. Besonders seine wiederholten Aufenthalte in der Stadt Kairo mit ihrem orientalischen Flair inspirierten ihn zu zahlreichen Werken, Gemälden und Zeichnungen, die das tägliche Leben auf den Straßen wiedergeben. Rabes spezialisierte sich unter anderem auf Genreszenen, für die das Gemälde »Briefschreiber«/»Öffentlicher Briefschreiber in Kairo« ein Beispiel ist. 1891 hielt sich Max Rabes für einige Monate in Paris auf und betrieb Studien nach der französischen Malerei. Das Thema des öffentlichen Schreibers griff er ein weiteres Mal in einer Bleistiftzeichnung auf.
Das Berliner Reichspostmuseum erwarb das Gemälde kurze Zeit nach seiner Entstehung als künstlerisches Zeugnis für die zeitgenössische, orientalische Briefkultur. Der Ankaufspreis von 2.500 Mark ist im Museumsinventarbuch unter dem Eintrag Nummer 3.500 mit Datum vom 13.3.1902 verzeichnet. Bereits in den Anfängen der Sammlung unter Heinrich von Stephan wurden Darstellungen schreibender Personen, »Schriftproben und Schreibgeräth in Originalstücken«, wie der Sammlungskatalog von 1897 verzeichnet, aus verschiedenen Epochen und Regionen der Erde gesammelt. Wann das Gemälde im Reichspostmuseum erstmals der Öffentlichkeit präsentiert wurde, ist nicht bekannt. Ein Foto aus den 1920er Jahren zeigt das Bild an der Wand in einem Dienstzimmer des Reichspostministeriums. Vor dem Gemälde hat sich anlässlich einer internationalen Zusammenkunft in Berlin eine Gruppe um Dr. Hans Bredow postiert, der von 1921 bis 1926 Technischer Staatssekretär im Reichspostministerium war. Den bisher einzigen Nachweis einer Ausstellung im Reichspostmuseum liefert ein Foto des Postwertzeichensaales, das 1932 im Deutschen Reichspostkalender veröffentlicht wurde. Es zeigt das Bild über dem Wandtresor mit dem Mauritius-Tableau. In diesem Raum hing das Gemälde bis zur kriegsbedingten Schließung des Reichspostmuseums 1939.
Der Aufbewahrungsort des Bildes von 1939 bis in die 1960er Jahre liegt heute im Dunkeln. Um 1970 hing es im provisorischen Bibliothekslesesaal des Postmuseums der DDR. In den 1970er und 1980er Jahren befand sich im Dienstzimmer von Erwin Wöllmann, dem langjährigen Direktor des Postmuseums der DDR. In die Dauerausstellung des Postmuseums gelangte es erst nach der Neueröffnung des Museums 1987. Von 1989 bis zur erneuten sanierungsbedingten Museumsschließung Mitte der 1990er Jahre hing das Bild wieder in dem Raum, in dem es zu Reichspostmuseumszeiten ausgestellt war. Während der Sanierung des Berliner Museumsgebäudes wurde es im Depot aufbewahrt und in einigen Wechselausstellungen gezeigt, bevor es für einige Jahre in der Dauerausstellung des Museums für Kommunikation Frankfurt hing. 2011 gelangte es zurück an den Ort, an dem es in den 1930er Jahren im Reichspostmuseum gehangen hatte.
Zitiervorschlag
Gemälde "Öffentlicher Briefschreiber in Kairo", 1898; Museumsstiftung Post und Telekommunikation, Inventarnummer: 3.0.42,
URL: https://onlinesammlung.museumsstiftung.de/detail/collection/e7861caa-785b-4c3f-9799-6dc073b843f5 (zuletzt aktualisiert: 26.11.2024)