Der Reihenschieber war ein Handverschlüsselungssystem der späten 1950er Jahre, dessen Verwendung - auf nationaler Ebene - für die Verschlüsselung von Nachrichten aller Geheimhaltungsstufen zugelassen war. Der Reihenschieber wurde im Laufe des Jahres 1957 von der Zentralstelle für das Chiffrierwesen (ZfCh), der Abteilung Mehlem des Bundesnachrichtendienstes (BND) und der Fernmeldedienststelle der Bundeswehr (FmDSt Bw) gemeinsam entwickelt. Das Schlüsselmaterial wurde von der FmDSt Bw geliefert. Der Reihenschieber wurde bis 1962 eingesetzt - zumindest bei Bundeswehr und Polizeidienststellen. 1992 wurde er - nach dreißig Jahren - aus der Geheimhaltung genommen.
Der Reihenschieber dient selbst nur mittelbar der Verschlüsselung, denn es handelt sich um einen kleinen tragbaren Zufallsfolgengenerator für das One-Time-Pad-Verfahren. Bei diesem besonders sicheren Verschlüsselungsverfahren wird ein Schlüssel aus absolut zufälligen Zeichen zu den Buchstaben des Klartexts hinzuaddiert. Der Empfänger zieht diese Zufallsfolge wieder ab und macht dadurch die Verschlüsselung rückgängig. Nachteil dieser Methode war, dass man große Mengen an Zufallsfolgen benötigte, die mindestens so lang sein mussten wie der zu verschlüsselnde Klartext und die sowohl dem Sender wie auch dem Empfänger vorliegen mussten.
Um dieses logistische Problem zu lösen, entstanden verschiedene Geräte, mit denen man Zufallsfolgen auch vor Ort produzieren konnte, unter anderem der Reihenschieber. Der Reihenschieber besteht aus drei Teilen: einem Rahmen, einem Satz von 26 herausnehmbaren Stäben, und einem Schieber mit Ablesefenster, ähnlich einem Rechenschieber. Die Stäbe sind auf allen vier Seiten mit den Buchstaben von A-Z und den Zahlen von 0-9 in einer jeweils anderen verwürfelten Reihenfolge bedruckt.
Aus den 25 Stäben wählt man zehn aus und steckt sie in die Halterung, wobei darauf zu achten ist, welche der vier Seiten eines Stabs oben liegt. Diese Reihenfolge ist der Tagesschlüssel. Jeder Stab wird nun in eine von zehn möglichen Positionen geschoben und dort fixiert. Diese Positionierung ist der Spruchschlüssel. Dieser wird aus einer jeweils neu zu bildenden Kenngruppe und einer neu zu bildenden Spruchschlüsselzahl mit Hilfe einer Umsetztabelle für jede Nachricht neu berechnet.
In den Schieber zur Ablesung wird eine Schablone eingelegt. Die Schablone – Dekadenschlüssel genannt - enthielt 25 zufällig angeordnete Fenster zur Ablesung der Buchstaben. Von einem zu definierenden Startfeld aus liest man nun die Zahlen und Buchstaben in den Fenstern ab und verwendet sie als Zufallszeichen für den One Time Pad.
Das Problem bestand darin, dass die erzeugten Zufallsfolgen nicht wirklich zufällig waren, sondern nur pseudo-zufällig. Auch war das Verfahren aufwändig und zeitraubend. Daher wurde es Anfang der 196oer Jahre wieder aufgegeben und nur bei der Polizei als "Reserve-Handverfahren" beibehalten.
Zitiervorschlag
Verschlüsselungsschieber "Reihenschieber" (Polizeihandschlüssel) mit Zubehör, 1957; Museumsstiftung Post und Telekommunikation, Inventarnummer: 4.2008.681,
URL: https://onlinesammlung.museumsstiftung.de/detail/collection/dc0f7b1e-8358-47b7-a397-eb789a27fbb2 (zuletzt aktualisiert: 26.11.2024)