Hersteller
Brown, Boveri & Cie. (BBC) (1891 - 1988)
Verwender
Zentralstelle für Chiffrierwesen (ZfCh) (1956 - 1989)
Das BBC Cryptophon 1100 war ein Sprachverschleierungszusatz für Funkgeräte und das öffentliche Telefonnetz. Das von Brown Boveri und Co. (BBC) in der Schweiz entwickelte Gerät arbeitete nach der Time-Division-Verwürfelung. Die Sprache wird in Zeitsegmente von 30 ms Länge zerlegt, die im Sender gespeichert werden. Diese Zeitscheiben werden dann in einer anderen Reihenfolge auf dem Funkwege übertragen. Dieses Signal ist praktisch nicht mehr verständlich.
Im Empfänger wird die ursprüngliche Reihenfolge mit einer Verzögerung von ca. 0.5 Sekunden wieder hergestellt. Um die Synchronisation von Sender und Empfänger sicherzustellen wird im Sprachband ein Synchronsignal mit übertragen. Dieses Synchronsignal besteht aus einem Datensignal von ca. 100 Baud in Tonfrequenzumtastung.
Der kryptografische Schlüssel besteht aus zwei Teilen: Dem Basisschlüssel, der im Inneren des Geräts eingebaut ist, und dem Tagesschlüssel Der Basisschlüssel kann nur geändert werden, indem das Gerät geöffnet und eine kleine Leiterplatte ausgetauscht wird. Der Basisschlüssel auf der Leiterplatte war für jede der nutzenden Behörden anders und wurde nicht oft gewechselt.
Der Tagesschlüssel wurde durch Eingabe einer 6-stelligen Zahl mit den sechs Einstellrädern auf der Vorderseite eingestellt. Eine kleine Schiebeklappe verbirgt die aktuelle Einstellung, so dass die Zahl von einem potenziellen Lauscher nicht abgelesen werden kann.
Die 6-stellige Nummer ermöglicht 46.656 Kombinationen, die als Startsequenz (Seed) für den internen Pseudo-Zufallszahlengenerator (PRNG) dient. Der PRNG hat eine Periode von ca. 8,5 Stunden, so dass sich die vom PRNG erzeugte Zahlenfolge innerhalb von 8,5 Stunden nicht wiederholt.
Während einer Übertragung wird ein FSK-Signal (Frequency Shift Keying) mit der Sprache gesendet, damit die PRNG des Empfängers mit dem Sender "synchron" läuft. Dieses FSK-Signal hat die Form eines Pilottons von 1830 Hz (± 100 Hz). Zu Beginn eines Gesprächs benötigt das System ca. 1,5 Sekunden, um sich "einzuloggen". Während dieser Zeit kann keine brauchbare Sprache übertragen werden. Die meisten Betreiber zählten "einundzwanzig, zweiundzwanzig", bevor sie mit der Nachricht begannen. Aufgrund des Verschlüsselungsprinzips des Cryptophon 1100 wurde der gesamte Sprachverkehr um 0,5 Sekunden verzögert. Dies wurde als ein Nachteil des Systems angesehen
Das Gerät wurde von Polizei- und Strafverfolgungsbehörden in ganz Europa verwendet, in Deutschland von den Polizeibehörden der Länder, dem Bundesgrenzschutz oder dem Bundesnachrichtendienst (BND). BBC stellte 1979 den deutlich kleineren Nachfolger Vericrypt vor. Die Cryptophon- und die Vericrypt-Geräte waren miteinander kompatibel und nutzten denselben Verschlüsselungs-Algorithmus.
Nachdem das Ministerium für Staatssicherheit der ehemaligen DDR sich über die Schweiz ein Gerät beschafft hatte, war das Verfahren bereits 1983 kompromittiert. Es gelang der Stasi, das Gerät zunächst nachzubauen. In der Folge konstruierte die Stasi ein Entschlüsselungsgerät namens "A004", mit dem die Staatsicherheit den mit den Vericrypt-Geräten geführten verschleierten Funkverkehr in Echtzeit mithören konnte. So konnte die DDR etwa im 2. Quartal 1988 90% des mit dem Cryptophon 1100 und dem Vericrypt 1100 verschlüsselten Funkverkehrs in der Bundesrepublik abhören. Das Vericrypt-Verfahren bot jedoch noch eine ausreichende Sicherheit gegen die sonstigen "Mithörer" aus dem kriminellen Milieu.
Zitiervorschlag
Sprachverschleierungsgerät "Cryptophon 1100" mit Zubehör, 1974 - 1980; Museumsstiftung Post und Telekommunikation, Inventarnummer: 4.2012.535,
URL: https://onlinesammlung.museumsstiftung.de/detail/collection/da50f716-2d6e-4899-b90b-ff4fafc4b23b (zuletzt aktualisiert: 26.11.2024)