Ingolstadt, den 14. Aug. 1895.
Meine geliebte Anna!
Es ist präzis eingetroffen, das Paket nämlich, das du mir zugeschickt hast. Der Inhalt ist größtenteils verzohren bis auf einige dieser Süßigkeiten und die Handtücher. Dass ich irrtümlich nicht alles selbst gegessen habe in dieser kurzen Zeit, ist selbstverständlich. Obwohl ich alles möglichst geheim gehalten habe, war doch der größte Teil meiner Kameraden davon unterrichtet, und mein Kameradschaft wurde auf eine harte Probe gestellt. Ein Beweis für den riesigen Appetit, den man hier bei uns bekommt, ist sicherlich, dass ich den gesamdten Schinken nahezu auf einen Sitz verzehrte. Er war ausgezeichnet. Der Gleichen auch das Backwerk. Nimm für alles meinen herzlichsten Dank entgegen. Die Kollegen lobten die Vorzüglichkeit des Backwerks und machten die Bemerkung: Sie werden halt von der sorgsamen Hand des Liebchens bereitet sein. Nun haben wir bereits den 14. August. Der 14. Okt. wird da sein, ohne daß wir glauben können, wie die Zeit so schnell verging. Ich bin in stetiger Beschäftigung. Morgens halb acht Uhr bis Mittags elf Uhr heißts Herumexerzieren. Dann ist um ½ 2 Uhr Apell. Dann wird exerziret bis 6 Uhr.Von 7 bis 9 Uhr dürfen wir ausgehen. Um 9 Uhr beim Zapfenstreich heißt es unbedingt daheim sein. Ich habe bis jetzt noch nicht viel gesehen von Ingolstadt. Am Sonntag war ich in einem Kunzert. Am Montag besuchte ich die Kollegen auf Fronte Vieregg, welche noch nicht ausgehen dürfen. Gestern machte ich im schwarzen Adler einen Tarok. Obwohl uns hier sehr humane Behandlung zuteil wird – unser Premierlieutnant ist ein ausgezeichneter Mann, so fehlt mir doch die rechte Munterkeit und Freudigkeit. Es geht mir ebenso wie dir. Ich besitze keinen Menschen, der mich versteht, dem ich mein Herz ausschütten könnte, doch tröste Dich mit mir, noch gute acht Wochen und diese Zeit ist wieder vorbei. Davon darfst du überzeugt sein, daß ich mich danach sehne, wieder einmal in Deine lieben Augen zu sehen und Dir mit einem Kuß zu sagen wie gern ich Dich habe. Sei nur getrost und harre aus, mein geliebtes Annerl, Du wirst Dich nicht täuschen in mir. Nicht in trauriger Entsagung sollst Du Dein Leben zubringen, sondern dereinst in Frohsinn und Freude erblühen, wenn ich einstens hintrete mit Dir an den Altar und von Dir das beglückende »Ja« begehre. Einer weiteren Versicherung bedarf es nicht, denn ich bin überzeugt davon, daß Du mich ebenso gern hast, wie ich Dich. Schreibe mir gewiß bald, ich bitte Dich darum. Wie geht es euch? Wie schauen die Rosenstöcke aus? Wie gehts auf der Tanzmusik zu? Am Sonntag in acht oder vierzehn Tagen komme ich nach Augsburg. Schreibe, ob es Dir später mehr möglich ist, oder ob es Dir lieber ist, wenn ich früher komme. Du mußt halt den Vater bitten, daß er dich hineinfährt.
Jetzt heißts zum Apell.
Viele Grüße an alle, es grüßt und küßt Dich Dein Dich innig liebender Xaver.