Alexej von Jawlensky wurde 1864 in Torschok, in der Provinz Tver, geboren und starb 1841 in Wiesbaden. Von 1877 bis 1882 besuchter er die Moskauer Kadettenschule und begann 1889 sein Studium an der Akademie St. Petersburg. 1896 zog der Künstler nach München, wo er von 1896 bis 1999 an der Azbé-Malschule studierte. Jawlensky war Gründungsmitglied der 1909 entstandenen Neuen Münchener Künstlervereinigung.
In seinem Gemälde zeigt Jawlensky in einem radikal begrenzten Bildausschnitt zwei Häuser im Ort Murnau, die formal ganz in die Vertikalen und Horizontalen des Telegrafennetzes eingebunden erscheinen. Die Darstellung verbindet eine vereinfachte, aber dennoch bewegte Oberflächengestaltung mit kraftvoller Linienführung und intensiver Farbgebung. Die reinbunte Farbigkeit baut sich aus Tönen wie Blau, Gelb und Violett, Grün und Rot auf. Im Komplementärkontrast angeordnet, steigern sie im Auge des Betrachters ihre Wirkung. Die leuchtend grüne Krone eines Baumes ragt zentral im Vordergrund des Bildes hoch. Wie die Verlängerung seines Stammes ragt als dominantes kompositorisches Element links der Mittelachse ein Telegrafenmast über die Bildränder hinaus. Dieser bildet die zentrale Zäsur, der sich die anderen Bildelemente rhythmisch zuordnen. Landschaft und Umwelt scheinen sich dem Balken- und Liniennetz unterzuordnen. Der pastose Farbauftrag und der bewegte Pinselduktus, der sich durch kurze und nebeneinander gesetzte Striche auszeichnet, stehen im Gegensatz zu der Statik und Monotonie der Masten und Leitungen. Stofflichkeit löst sich zugunsten dynamischer Farbprozesse auf. Naturalistische Erfassung weicht dem kraftvollen Eigenwert der Farben und ihrem kontrastreichen Zusammenspiel mit Struktur, Kontur und Komposition. Die kühlen Blautöne der Berglandschaft im Hintergrund und der dunkle Ton der Telegrafenmasten bilden einen Gegensatz zu der leuchtenden Farbigkeit der Häuser und der Baumkrone im Vordergrund. Stark konturierte Farbflächen wie die einzelnen Elemente der beiden Häuser stehen in sich bewegten Motiven ohne Konturierung wie dem Baum gegenüber. Die Komposition wirkt, verstärkt durch das verspannte Liniennetz, stark strukturiert und fest gefügt. Die »Landschaft mit Telegrafenleitungen« zeigt somit einen Ausschnitt, in dem weniger das Sujet als vielmehr die Korrespondenz von Farbe und Form im Vordergrund steht. Das Motiv lässt sich gut der Zeit in München zuordnen, wo Jawlensky gemeinsam mit Marianne Werefkin seit 1896 lebte und seinen eigenen künstlerischen Weg fand. Bis 1914 konzentriert er sich vor allem auf drei Themengebiete: Stillleben, Landschaften und Porträts.
Das Gemälde zählt zu den bis 1910 entstandenen Werken, die in der Farbauffassung vom Fauvismus und der Konturmalerei Paul Gauguins inspiriert waren und beide Malweisen in einer Synthese zusammenführten. So setzt Jawlensky hier formal mit den Telegrafenmasten und Leitungen Konturen um die leuchtenden und in sich bewegten Farbflächen. Als Synthese verstand er inhaltlich aber auch die Verknüpfung der Eindrücke der äußeren Realität mit der inneren, geistigen Welt. So suchte er nach »künstlerischen Formen, welche die gegenseitige Durchdringung dieser sämtlichen Erlebnisse zum Ausdruck bringen sollen – nach Formen, die von allem Nebensächlichen befreit sein müssen, um das Notwendige stark zum Ausdruck zu bringen.« Jawlensky integrierte, wie später auch Gabriele Münter in der Zeit zwischen 1908 bis 1910 in verschiedenen Werken als bildbestimmende Elemente Telegrafenmaste in seine Landschaften oder Ansichten, so zum Beispiel in Versionen in Privatbesitz von 1909, im Museum am Ostwall in Dortmund oder im Museum Wiesbaden, beide von 1912.
Zitiervorschlag
Gemälde "Gebirgslandschaft mit Telegraphenleitung und roten Schornsteinen", 1910; Museumsstiftung Post und Telekommunikation, Inventarnummer: 4.0.836,
URL: https://onlinesammlung.museumsstiftung.de/detail/collection/ba9aacbd-dbb3-4537-9c00-0e59767f4621 (zuletzt aktualisiert: 26.11.2024)