Hersteller
Dr. Erich F. Huth Gesellschaft für Funkentelegraphie mbH (1908 - 1945)
Erfinder
Max Karl Werner Wien (1866 - 1938)
1906 entwickelt der Danziger Physiker Max Wien die Löschfunkenstrecke: Sie besteht aus zahlreichen, hintereinander geschalteten plattenförmigen Funkenstrecken mit nur wenigen Millimetern Elektrodenabstand: die Serienfunkenstrecke. Durch Kühlung erlöschen die Funken, so dass an der Funkenstrecke schneller wieder neue Funken entstehen können - daher der Name Löschfunkensender. Diese Konstruktion vermeidet Energieverluste, auch weil sie im Gegensatz zum Knallfunkensender nur eine einzige Frequenz abstrahlt. Der Wirkungsgrad kann so verdoppelt und die Reichweite verdreifacht werden. Im Kopfhörer des Empfängers hört man nun statt knackender Geräusche einen hellen klaren Ton, der dem Sender auch den Namen Tonfunkensender gibt.
Die »Dr. Erich F. Huth Gesellschaft für Funkentelegrafie mbH« ging hervor aus der 1906 gegründeten Firma Kuhnsch & Jaeger, die 1908 von Huth übernommen und umbenannt worden war. Neben der seit 1903 marktbeherrschenden Telefunken GmbH und der C. Lorenz AG, die ab 1906 funktechnisches Gerät herzustellen begann, gelang es Huth, sich als vorerst letztes Unternehmen vor Einführung des Rundfunks im Jahre 1923 auf dem Markt für Hochfrequenztechnik zu etablieren.
Im Geschäft mit den Staatsaufträgen kamen nur diese drei Unternehmen zum Zuge. Für die Funktechnik gab es bis nach dem Ersten Weltkrieg ohnehin nur drei Nutzungsbereiche: Den militärischen Nachrichtenverkehr von Heer und Kriegsmarine, den amtlichen Nachrichtenverkehr mit den Kolonien und den Nachrichtenverkehr von Handels- und Passagierschifffahrt als einzigem zivilen Nutzungsbereich.
Huth hatte bereits vor 1914 – etwa mit den Detektorempfängern E 1 bis E 17 - ausschließlich militärische Funkgeräte gebaut. Während des Ersten Weltkriegs – als die Nutzung der neuen Technik als strategisches und taktisches Kampfmittel beständig ausgeweitet wurde – erlebte Huth wie die anderen Unternehmen der Funkindustrie seinen ersten großen Boom. Nachdem man schon 1910 größere Fabrikräume am Kottbusser Ufer (heute Paul-Lincke-Ufer) bezogen hatte, bezog die Firma 1916 neue Räume in der Berliner Wilhelmstraße.
Das Hauptproblem für Huth bestand darin, dass die Telefunken GmbH – ausgehend von den Erfindungen und Patenten von Adolf Slaby, Georg Graf von Arco und Karl Ferdinand Braun – fast alle weiteren für den Funk wichtigen Patente in Deutschland angesammelt hatte. Auch hatte sich Telefunken mit Marconi’s Wireless Telegraph Co. verständigt und hinsichtlich der Nutzung von Marconi-Patentrechten die Einflusssphären voneinander abgegrenzt.
So war der Bau von Funkgeräten ohne Zugriff auf Telefunken-Patente in Deutschland praktisch nicht möglich.
Auch das Stoß-Sendeverfahren nach Max Wien und die mehrteilige Löschfunkenstrecke hatte sich Telefunken 1907 patentieren lassen. Die Konkurrenz entwickelte daher Alternativen, um die Schutzrechte von Telefunken umgehen zu können. Die Lorenz AG nutzte in ihren »Vieltonsendern« von Otto Scheller und Hans Rein entwickelte kalottenförmige Löschfunkenstrecken, in deren verstellbaren Entladungsraum Spiritus tropfte und verdampfte, um ein schnelles Abreißen der Funken zu erreichen. Marconi erreichte bei großen Landstationen eine schnelle Funkenfolge mit rotierenden Funkenstrecken, bei denen 16 oder 24 stabförmige Zinkelektroden mit 2 000 bis 3 000 U/min an zwei Elektroden vorbeirotieren. Nur diese beiden Systeme konnten eine gewisse Bedeutung erlangen.
Daneben entstanden zahlreiche andere Konstruktionen, um die Funkenstrecken zu entionisieren und ein möglichst rasches Abreißen der Funken zu bewirken: mit Druckluft angeblasene Elektroden (Koch für die Badische Anilin- & Soda-Fabriken, Joseph Bethenod für die Société française radio-électrique, John Graeme Balsillie für den australische Staat), mit rotierenden Plattenelektroden (Wilhelm Peukert und Helsby Wireless Telegraph Company ), mit Plattenelektroden aus Wolfram oder Platin-Iridium mit wenigen hundertstel Millimeter Abstand (Hans Boas und Willis), mit wassergekühlten Elektroden mit abbrennender Papierisolation (Egbert von Lepel).
Huths (allerdings bei diesem Objekt nicht realisierte) Konstruktion bestand aus einer käfigförmigen Löschfunkenstrecke, die sechsfach unterteilt war und aus einzelnen Silberrohren bestand. Deren Abstand ließ sich für jede Funkenlänge einstellen, wobei die Rohre drehbar angeordnet waren, so dass man die Funken stets auf neue Mantellinien der Rohre überspringen lassen konnte. Nach diesem System lieferte Huth Sendeempfänger unterschiedlicher Größe für Flugzeuge und Zeppeline der Flieger- und Luftschiffertruppe, auch den zentralen 3,5 kW-Löschfunkensender für die Flugwettermeldungen des Observatoriums Lindenberg.
Allerdings war Telefunken mit ihrer Senderkonstruktion die nahezu perfekte Umsetzung des Konzeptes von Max Wien gelungen – klein, leicht, effizient, ohne zusätzliche elektrische oder mechanische Konstruktionen zur Kühlung und Entionisierung der Funkenstrecke und daher wartungsarm und zuverlässig. Daher verschwanden alle anderen Konstruktionen von Löschfunkensendern bald wieder, insbesondere als während des Krieges die Ausrichtung des deutschen Funkwesens eine rein militärische war und das Genehmigungsrecht für Funkanlagen vom Reichspostamt auf das Kriegsministerium übergegangen war. Auch Huth baute nun Löschfunkenstrecken nach dem System Telefunken in seine Sender ein - wie bei diesem Objekt auch.
Ein Löschfunkensender dieser Bauart wurde 1924 von der Deutschen Reichspost auf der Großen Deutschen Funkausstellung in Berlin ausgestellt. Zu diesem Zeitpunkt allerdings deutete sich bereits an, dass die Zukunft den Röhrensendern gehören würde, die nicht nur kleiner und deutlich leistungsfähiger waren, sondern sich auch für Telefonie eigneten – also Sprache und Musik übertrugen. Die Löschfunkensender spielten daher bereits gegen Kriegsende nur noch eine untergeordnete Rolle. Vorhandene Sender wurden zwar weiter genutzt, doch die Weltfunkverträge von 1927 (Washington), 1938 (Kairo) und 1959 (Genf) beschränkten den Neueinsatz der breitbandigeren und weniger frequenzkonstanten Löschfunkensender mehr und mehr. 1965 wurde der Betrieb der letzten verbliebenen Löschfunkensender als Notsender endgültig verboten.
Zitiervorschlag
Löschfunkensender nach Max Wien mit Löschfunkenstrecke, Kondensator aus Leidener Flaschen und Antennenabstimmspule, nach 1916; Museumsstiftung Post und Telekommunikation, Inventarnummer: 4.2007.102,
URL: https://onlinesammlung.museumsstiftung.de/detail/collection/ac0c8ab5-de8f-4f89-ba44-a2dd26ec7db5 (zuletzt aktualisiert: 26.11.2024)