Max Ernst wurde 1891 in Brühl geboren und starb 1976 in Paris. Von 1909 bis 1914 absolvierte er ein Studium der Altphilologie. 1922 ging er nach Paris, wo er Gründungsmitglied der Surrealistengruppe war, von der er sich 1938 trennte. Er emigrierte 1941 in die USA, New York und Arizona. 1953 kehrte er nach Europa zurück, lebte zunächst in Paris, ab 1963 in Südfrankreich.
Ein schwarz gemalter Rahmen öffnet sich in einem unregelmäßigen Ausschnitt auf eine Gebirgslandschaft unter nächtlichem Vollmond. Einzig die Unterschrift »Greetings from« verweist als Anspielung auf die Funktion der Ansichtspostkarte, die von einem sehenswürdigen Platz aus versendet wird. Gleichwohl bleibt die dargestellte Landschaft fiktiv, bezieht sich nicht auf einen realen Ort. Durch die Form des Ausschnitts und das magische Leuchten der Landschaft unter nächtlichem Himmel gewinnt die wie auf einer Postkartenreproduktion verfremdete Landschaft geheimnisvolle Präsenz. Max Ernst schafft zum vorderen Rand der Darstellung mittels einer roten Farbzone einen Übergang, eine Art Schwelle, über die der Betrachter optisch in die Landschaft eintreten kann. Es entsteht ein Wechselverhältnis zwischen Realität und Surrealität, indem die auf einer Postkarte nur ansatzweise nachzuempfindende Atmosphäre des Reproduzierten hier durch den wohlkalkulierten Einsatz bildnerischer Mittel zu leben beginnt und Nähe gewinnt. Dies wird auch durch die Strukturen, die durch die Frottage und Grattage entstehen, verstärkt. Bei der Frottage legte der Künstler Gegenstände hinter die Leinwand und malte sie durch, hier Knöpfe, deren Strukturen sich auf der Oberfläche der Malschicht abzeichnen und integrativer Bestandteil der Komposition werden. Bei der Grattage ritzte er mit dem Spachtel in die Malschicht, so dass lineare Strukturen entstanden. Der Einsatz dieser Techniken als künstlerisches Zufallsprinzip trug dem Gedanken der Surrealisten Rechnung, das Unbewusste als gestalterisches Mittel in den künstlerischen Werkprozess einzubeziehen. Wesentlich ist auch hier die Interdependenz von Farbe und Struktur, Formeneinschlüssen und grafischem Element, die zur irrealen Gesamtwirkung der Darstellung beitragen.
Das Gemälde »Ideal postcard« gehört zu der Reihe kleinformatiger Landschaften, die Max Ernst nach seiner Emigration nach Amerika malte. Es ist in besonderer Form ein Beleg für Max Ernsts vielseitigen künstlerischen Umgang mit dem Thema Postkarte, einem Medium, das im Kreise der Surrealisten einen hohen Stellenwert genoss. Die 1869 eingeführte »Correspondenzkarte«, der sich 1870 noch die Bildpostkarte zugesellte, diente den Surrealisten als Sammelgegenstand und künstlerisch als Rohstoff, da sie gemäß dem großen surrealistischen Vorbild Lautréamont heterogene Elemente an einem ungewöhnlichen Ort vereinte. Außer als Material für Collagen dienten die von den Surrealisten gesammelten und diskutierten Postkarten Max Ernst auch als Ausgangspunkt für eine Reihe von Frottagen. So auch im Falle der »Ideal postcard«, der aus dem Gedächtnis entstehenden Idealpostkarte.
Zitiervorschlag
Gemälde "Ideal Postcard", um 1948; Museumsstiftung Post und Telekommunikation, Inventarnummer: 4.0.937,
URL: https://onlinesammlung.museumsstiftung.de/detail/collection/a97ca82e-c62c-408c-b034-9a98ab567514 (zuletzt aktualisiert: 26.11.2024)