Signatur
"O. Antoine" (unten rechts)
Schild
"Postverladestelle Schlesischer Bahnhof // Berlin 1912 // Otto Antoine" (auf Rahmen)
Der 1865 in Koblenz geborene und 1951 in Unteruhldingen am Bodensee gestorbene Otto Johann Ferdinand Antoine arbeitete hauptberuflich bei der Reichspost. Als Künstler war er zunächst Autodidakt und studierte später nebenberuflich an der Berliner Kunstakademie bei Franz Skarbina und bei Walter Leistikow.
Bei dem Bild "Betrieb in der Postverladestelle des Postamts 17, Schlesischer Bahnhof, Berlin" fällt der Blick in eine weite Halle, in der geschäftiges Treiben herrscht. Die weiten Dimensionen werden durch den Tiefenzug der Architektur und die Reihe von Lampen, die in einem Bogen nach hinten führt, noch verstärkt. Unzählige Paketwagen mit Frachtgut, beladen oder geschoben von Postbediensteten, staffeln sich in die Tiefe der Halle. Im Vordergrund links weist ein Aufseher einen Mann in Uniform an seinem Arbeitsplatz an, dazwischen bündelt ein weiterer Mann Postsäcke, rechts wird ein Wagen aus dem Bild in Richtung des Betrachters geschoben. Jede Person ist geschäftig in ihre Arbeit vertieft, so dass zum einen der zeitliche Druck, unter dem die Post verladen wird, zum anderen aber auch der Fleiß und die Perfektion bei der Arbeit verdeutlicht werden. So bemüht sich Antoine, neben der atmosphärischen Wiedergabe der lichtdurchfluteten und dennoch irreal anmutenden Welt, dem Zusammenspiel von Arbeitsprozessen und Architektur gerecht zu werden und die verschiedenen Stationen der Bearbeitung im Bild festzuhalten. Die Darstellung erhält dadurch neben dem künstlerischen auch dokumentarischen Charakter. Dieser Aspekt zieht sich leitmotivisch durch Antoines Werke, die an der Arbeitswelt der Post orientiert sind.
Ein anderes Gemälde aus der Sammlung der Museumsstiftung, das Gemälde »Paketpost am Anhalter Bahnhof«, stellt gewissermaßen ein Pendant aus der Arbeitswelt der Reichspost dar. In der Bahnhofshalle des Anhalter Bahnhofs in Berlin laden auf einem Gleis verschiedene Postbedienstete von großen gelben Paketwägen Frachtgut in einen bereitstehenden Zug, von dem Dampf aufsteigt. Im Hintergrund und auf einem Nachbargleis sind Passanten zu sehen. Die Darstellung konzentriert sich ganz auf das geschäftige Treiben des Hintransportierens, Auf- und Einladens von Transportgut. Trotz aller nüchtern-dokumentarischen Erfassung erlangt die Darstellung durch die Farbvaleurs in Grau und Grün mit gezielt gesetzten Farbakzenten und die Wiedergabe von Dampf, flirrender Luft und Licht, das durch die offenen Tore der Halle eindringt, eine atmosphärische Wirkung.
Otto Antoine zählt neben Alexander Kircher und Friedrich Kleukens zu den sogenannten »Postmalern« um die Jahrhundertwende des 20. Jahrhunderts, die im Auftrag des Reichspostmuseums, insbesondere auf Initiative des Generalpostmeisters Heinrich von Stephan vielfältige Motive aus dem Alltag und der Geschichte der Post darstellten. Von Otto Antoine besitzt die Museumsstiftung jedoch die meisten Werke. Dies ist unter anderem darauf zurückzuführen, dass Antoine seinen Hauptberuf als Postbeamter mit künstlerischen Ambitionen verband. Er hielt direkt vor Ort Szenen aus dem Alltag des Postwesens fest. Ab 1902 half Antoine beim Aufbau des Reichspostmuseums und betätigte sich als Kopist von postalischen Darstellungen in alten Handschriften und Büchern, die dem Reichspostmuseum in Lichtdrucken vorlagen. Das Reichspostmuseum gab zahlreiche Darstellungen bei Antoine in Auftrag, und er selbst produzierte parallel dazu zahlreiche passende Gemälde, die vom Reichspostmuseum angekauft wurden. Dieses Bild wurde vom Reichspostmuseum im März 1913 für 900,- Mark beim Künstler erworben.
Die beiden Gemälde zeigen die Abläufe beim Posttransport und bilden so Gegenstücke zu Darstellungen, die das rege Treiben im Telegrafenbetrieb festhalten. Der »Betrieb in der Postverladestelle des Postamts 17 am Schlesischen Bahnhof« war 1912 auf der Großen Berliner Kunstausstellung ausgestellt und wurde vom Publikum begeistert aufgenommen.
Antoines Werke aus dem ersten Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts, der die beiden Gemälde entstammen, belegen im Umgang mit der gedämpften, in Braun- und Grautönen gehaltenen Palette und in der atmosphärischen Wiedergabe von Licht, Einflüsse der Berliner Malerschule, sowie von Werken des deutschen Impressionismus, insbesondere aber auch den Einfluss der Berliner Maler Franz Skarbina und Walter Leistikow, die Antoines Lehrer waren.
Zitiervorschlag
Gemälde "Betrieb in der Postverladestelle des Postamts 17, Schlesischer Bahnhof, Berlin", 1912; Museumsstiftung Post und Telekommunikation, Inventarnummer: 4.0.78701,
URL: https://onlinesammlung.museumsstiftung.de/detail/collection/9a1aed8b-13ec-4dc6-bf1d-deb73a958d33 (zuletzt aktualisiert: 26.11.2024)