1848 wurde Carl Karger in Wien geboren und starb 1913 ebenda. Von 1864 bis 1868 war er ein Schüler von Karl Meyer, Carl Wurzinger und Karl von Blaas an der Wiener Akademie, nach 1868 wechselte er an die Spezialschule Eduard von Engerths in Wien. 1871 zog er nach München und genoss Karl von Pilotys Unterweisung an der Münchener Akademie. 1887 kehrte der Künstler nach Wien zurück, wo er 1908 eine Professur an der Kunstgewerbeschule erhielt. Carl Karger spezialisierte sich auf Historien- und Genrebilder und ist sowohl der Wiener als auch der Münchener Schule zuzurechnen.
Carl Karger widmet sich dem Thema des Reisens in Verbindung mit der Post, indem er das zufällige und nicht immer glückliche Zusammentreffen Reisender unterschiedlicher Gesellschaftsschichten mit psychologischem Feingefühl schildert. In einem Wartesaal sind dicht gedrängt zahlreiche Reisende versammelt. Eine Tafel an der Wand gibt die Abfahrts- und Ankunftszeiten bekannt. In der Darstellung sind drei Hauptszenen kompositorisch verbunden. Von links fällt durch ein Fenster Licht auf einen Tisch, an dem fünf Personen sitzen. Eine bürgerliche Familie mit zwei Töchtern stärkt sich an mitgebrachten Speisen und Getränken und nimmt keine Notiz von einem weiteren, unordentlich gekleideten Reisenden an ihrem Tisch, der Pfeife raucht. Die vernachlässigte Kleidung des Mannes mit rotem Wams und Hut steht im Kontrast zur ordentlichen Kleidung und zum Porzellangeschirr der Danebensitzenden. Der Vater dreht seinem Tischnachbarn den Rücken zu, auch die Mutter und die beiden Töchter versuchen, ihren Blick abzuwenden. Rechts sitzt ein Paar an einem gedeckten Tisch, während ihre zwei Kinder vor dem geöffneten Picknickkorb stehen und eine Katze vor einem leeren Teller liegt. Unter dem Tisch sind Gepäckstücke zu sehen. Der am Tisch sitzende Mann hat die Beine hochgelegt. Er hält ein rotes Buch, vermutlich das Kursbuch, in den Händen und unterhält sich angeregt mit dem Postillion, der neben ihm steht. Soeben treten weitere Reisende in die Stube, allen voran ein Franziskanermönch in Reisekleidung, sowie ein Mann mit einem weiteren Kursbuchexemplar und eine Frau, während sich weiter hinten im Raum ein Paar angeregt unterhält. Die kleinen Szenen sind mit Freude am Detail und Naturalismus geschildert. Accessoires wie das umgefallene Kinderspielzeug und die legere Haltung mancher Reisender deuten darauf hin, dass beim Reisen nicht immer alles geordnet zugeht. Ferner ist das Zusammentreffen verschiedener Gesellschaftsschichten anschaulich geschildert. Die Komposition bildet in den drei Hauptgruppen der Wartenden ein Dreieck, die Farbigkeit zeichnet sich durch gedecktes Grau und Braun aus, belebt durch einzelne Akzente in Rot. Vorbildhaft für die frühe Malweise Carls Kargers war wie in diesem Bild, das in der Zeit seines Studiums entstand, die Malerei von Franz von Deffregger und Eduard von Grützner. Carl Karger malte 1973 noch eine weitere, im Figurenbestand abweichende, bekanntere Version des Themas, die sich heute in der Städtischen Galerie im Lenbachhaus in München befindet und ihm bei der Wiener Weltausstellung 1873 die Kunstmedaille einbrachte.
Das Bild trägt auch den Titel "Schwäbische Poststation", der Fahrplan auf der Wand ist der Fahrplan der Postkutschenlinie nach Basel. Allerdings ist handelt es sich bei dem Postillion mit seiner blauen Jacke und roten Weste eindeutig um einen bayerischen Postillion, so dass man geneigt ist, die Szene in Bayerisch-Schwaben zu lokalisieren.
Zitiervorschlag
Gemälde "Passagier-Stube einer schwäbischen Poststation", 1872; Museumsstiftung Post und Telekommunikation, Inventarnummer: 4.0.5761,
URL: https://onlinesammlung.museumsstiftung.de/detail/collection/821d407e-33f5-482f-8406-6f373cb18c61 (zuletzt aktualisiert: 26.11.2024)