Carl Wilhelm Hübner, geboren 1814 in Königsberg, gestorben 1879 in Düsseldorf, war ein wichtiger Vertreter der Düsseldorfer Malerschule. Seine künstlerische Ausbildung begann er als Schüler von Johann Eduard Wolff in Königsberg und setzte sie an der Düsseldorfer Akademie unter Wilhelm Schadow und Carl Ferdinand Sohn fort. Mit dem Thema der »schlesischen Weber« wurde Carl Wilhelm Hübner Führer der sozialen Tendenzmalerei. Seit 1841 besaß er ein eigenes Atelier. Er war Stifter und langjähriger Vorstand des Vereins Düsseldorfer Künstler sowie Gründungsmitglied des Malkastens. Zudem war er Mitglied der Akademien von Amsterdam und Philadelphia. 1863 wurde er auf eine Professur an der Düsseldorfer Akademie berufen.
Carl Wilhelm Hübner zeigt, wie eine junge Frau die Dienste eines Schreibers in Anspruch nimmt. Der Betrachter blickt in ein Interieur, in dem die Dargestellten wie auf einer Bühne agieren. Zwei Frauen, von denen eine einen versiegelten Brief in der Hand hält, stehen in der ärmlichen Stube. Der Schreiber und die junge Frau mit dem Brief legen den Finger an die Lippen, um zu bekräftigen, dass das Geheimnis des gerade geschriebenen Briefes gewahrt bleibt. Der notdürftig zugezogene Alkoven und der enge Raum, eingerichtet mit einem Schreibtisch, einem zerschabten Stuhl und Alltagsgegenständen sowie Steingut, Büchern, einer Tonpfeife und einem zerbrochenen Spiegel, weisen darauf hin, dass das Zimmer Wohn- und Arbeitsstube zugleich ist. Dem Hinweis auf das Briefgeheimnis, das zwischen Kundin und Schreiber bekannt ist und gewahrt werden muss, ist die sozialrealistische Milieuschilderung zugesellt. Sie beschreibt die schwierigen Lebensumstände der Schreiber. Zugleich verweist die Darstellung auf das insbesondere unter der weiblichen Bevölkerung noch weit verbreitete Analphabetentum im 19. Jahrhundert. In Hübners beiden weiteren als Pendants entstandenen Gemälden »Der Liebesbrief« und »Die Antwort« im Besitz der Museumsstiftung Post und Telekommunikation thematisiert er Aspekte des Briefschreibens und des Verhältnisses von Sender und Empfänger. In diesen beiden Werken ist es eine junge Frau, die einen Brief empfängt und die Antwort selbst schreibt und aufgibt.
Carl Wilhelm Hübner zählt zu den wichtigen Vertretern der Düsseldorfer Malerschule und erlangte bereits 1844 breite Aufmerksamkeit mit dem Werk »Die Schlesischen Weber«. Hübner thematisiert in seinen Gemälden die soziale Not. Dominierten in den Jahren vor 1848 pathetisch vorgetragene, sozialrealistische Darstellungen, wandte sich der Künstler später intimeren, am Einzelschicksal orientierten Themen zu, die er im sentimental-genrehaften Modus umsetzte. Die Schilderung eines bestimmten Augenblicks, eines Gefühlszustandes oder einer speziellen Situation aus dem bäuerlichen, Arbeiter- oder gar dem Milieu der Kleinkriminalität traten in den Vordergrund. Damit steht Hübner ganz in der Tradition der Düsseldorfer Malerschule, die für die Schilderung sozialer Realität typische Ausdrucksformen von Gestik und Mimik und in der Komposition und Lichtregie fand. In diesem Zusammenhang sind die Pendants »Der Liebesbrief« und »Die Antwort« und die nicht unmittelbar zugehörige Genreszene »Beim Schreiber« zu sehen.
Zitiervorschlag
Gemälde "Beim Schreiber", 1863; Museumsstiftung Post und Telekommunikation, Inventarnummer: 4.0.798,
URL: https://onlinesammlung.museumsstiftung.de/detail/collection/80dafa32-5006-4661-b5c1-ba9fcfe86198 (zuletzt aktualisiert: 26.11.2024)