"Am 1.4.1920 war die bayerische Postverwaltung 'verreichlicht' worden, d.h. sie war auf die Reichspost übergegangen, wenn auch gewisse Eigenständigkeiten bei der neu geschaffenen Abteilung (Abt.) VII, später VI, des Reichspostministeriums (RPM) in München bis 1934 bestehen blieben. Aber auch von seiten des Deutschen Reichs ließ ein neues Reichswappen, wie es für die Hausschilder an den Reichspostanstalten verwendet werden sollte, auf sich warten. Am 3.10.1921 meldete die OPD München, daß alle 'Verkaufsstellenschilder für Postwertzeichen aufgebraucht seien'. Ersatz sei dringend notwendig. Ähnliche Meldungen und Anforderungen kamen auch von anderen bayerischen OPDn. Die Abt. VII des RPM teilte daraufhin am 9.11.1921 den bayerischen OPDn folgendes mit: 'Die Änderung der Regierungsform sowie mehrfache Beanstandungen, welche gegen die derzeitigen Amtsschilder mit der Inschrift Bayerisches Postamt usw. und dem kgl. Wappen erhoben werden, haben den Ersatz der ohnedies größtenteils erneuerungsbedürftigen Schilder notwendig gemacht.' Nach am selben Tage bestellte die Abt. VII des RPM neue Posthausschilder bei den Münchner Emaillier- und Stanzwerken, München, Zielstattstr. 34. Das Leistungsverzeichnis stellte folgende Bedingungen für diese Emailschilder, auf die man aufgrund der guten Erfahrungen von 1897 zurückgriff:
'Ausführung: Eisenblech, mindestens 1,0 mm stark, gelbe Grundfarbe, schwarze schrift und Zeichnung, weiß-blaues Rautenwappen, Rückseite mit Emailleüberzug versehen, 4 Bohrlöcher zur Befestigung.
Aufschrift: Postamt Größe 40x60, Postagentur 40x60, Posthilfsstelle 40x60, Poststall 40x60, Postamt 30x40, Staatliche Kraftwagen-Linien-Haltestelle 30x40, Staatliche Kraftwagen-Linien-Bedarfshaltestelle 30x40, Postmarken-Abgabe 30x40.'
Die Schilder sollten 56,-- Mark bzw. 35,-- Mark kosten.
(...)
Schon im Dezember 1921 wurden die ersten neuen Posthausschilder von der Herstellerfirma unmittelbar an die Postanstalten verschickt. Herstellungsschwierigkeiten durch zeitbedingte Wirren und durch die beginnende inflationäre Entwicklung brachten es allerdings mit sich, daß im April 1922 erst ein Drittel der bestellten Schilder ausgeliefert war. Sie waren, im Gegensatz zu den Haltestellenschildern, im Hochrechteck gehalten und zeigten oben die bayerischen Rauten im Oval, darunter die Bezeichnung der Postanstalt und unten zwei verschlungene Posthörner. Diese Schilder sind Zeugen einer Übergangszeit, in der Unsicherheit über den zukünftigen Kurs bestand. Sie sollten allerdings einige Jahre das Äußere der bayerischen Postanstalten bestimmen. In dem verwendeten bayerischen Wappen kommt die bedingte Eigenständigkeit der Abt. VII des RPM in München zudem klar zum Ausdruck."
(Helmut Thiel, Posthausschilder in Bayern - Sinnbild staatlicher Hoheit und Macht, in: Archiv für Postgeschichte in Bayern, Juli 1979, S. 16-17)
"Posthilfstellen (PHSt) sind Hilfsanlagen für den Landzustellbezirk (s. Zustelldienst) in Landorten ohne Postanstalten (PAnst). Sie zählen nicht zu den PAnst im Sinne des Postrechts (§ 1 PG) und sind in der Annahme von Postsendungen beschränkt (§ 29, II PO).
Die PHSt besorgen: Verkauf von Postwertzeichen und Vordrucken, Annahme von gewöhnlichen Briefsendungen und Paketen, nach Bedürfnis auch von inländischen Telegrammen (soweit nicht eine besondere Telegraphenhilfstelle vorhanden ist), Aushändigung von gewöhnlichen Briefsendungen, Zeitungen und Paketen ausschließlich der Nachnahmesendungen. Die Sendungen werden von dem PHSt Inhaber abgetragen oder dem Empfänger zur Abholung bereitgehalten (§ 36, II PO), Annahme von Wert- und Einschreibsendungen, Nachnahmesendungen sowie von Postanweisungen und Zahlkarten gehört nicht zu den dienstlichen Pflichten der PHSt; doch dürfen sie solche Sendungen in demselben Umfange, wie die Landzusteller (s. Zustelldienst) zur Weitergabe an die Landzusteller übernehmen. Die Übergabe dieser Sendungen ist lediglich Vertrauenssache des Absenders. Die Haftpflicht der Post beginnt erst mit der Ablieferung an den Landzusteller, der auch den Einlieferungsschein ausstellt. Eine besondere Gebühr wird nicht erhoben (§ 29, IX PO).
Läßt es sich ohne Aufwendung großer Kosten ermöglichen, so werden die PHSt auch für den Telegraphenbetrieb nutzbar gemacht (Posthilfstelle mit Telegraphenbetrieb). Sie haben dann in der Regel Telegramme ohne Einschränkung anzunehmen, zu befördern, am Orte zuzustellen und als öffentliche Fernsprechstelle zu dienen. Sie gelten als Telegraphenanstalten im Sinne der Telegraphenordnung.
Die Verwaltung von PHSt wird vertrauenswürdigen männlichen, u.U. auch weiblichen Ortseinwohnern als unbesoldetes Ehrenamt übertragen. Bewerber, die Kriegsteilnehmer oder Kriegsbeschädigte sind, werden vorzugsweise berücksichtigt. Dem PHSt Inhaber kann durch die OPD eine Vergütung gewährt werden. Die PHSt unterstehen einem PA, dessen Anordnungen sie nachzukommen haben. Ist die Zustell PAnst der PHSt eine Postagentur (PAg), so haben die PHSt Inhaber auch den Anordnungen der PAg Folge zu leisten. Als Richtschnur für die Wahrnehmung der Dienstgeschäfte gilt die dem PHSt Inhaber gelieferte 'Dienstanweisung für Posthilfstellen'. Annahme und Entlassung der PHSt Inhaber ist Sache der PÄ. Die PHSt Inhaber werden gegen 6wöchige Kündigung angenommen. Sie können bei Verfehlungen ohne Einhaltung der Kündigungsfrist entlassen werden. Ihre Rechte und Pflichten sind im übrigen in den 'Besonderen Bestimmungen über das Dienstverhältnis der Inhaber von Posthilfstellen' zusammengestellt (Anl. 36 zu ADA X, 1)."
(Handwörterbuch des Postwesens, Berlin 1927, S. 457/458)
Zitiervorschlag
Posthausschild, Bayern, Posthilfstelle, 1921 - 1926; Museumsstiftung Post und Telekommunikation, Inventarnummer: 5.2003.418,
URL: https://onlinesammlung.museumsstiftung.de/detail/collection/6b8ab1c6-dd26-47e6-8aec-4d6cd7e5d2b5 (zuletzt aktualisiert: 26.11.2024)