Der ehemalige Rektor der Kunstakademie Düsseldorf, Markus Lüpertz, illustrierte auf Anregung der Bild-Zeitung und des Bertelsmann-Verlages im Jahre 2012 eine Sonderausgabe des Grundgesetzes. Jeder der 19 Artikel mit den Grundrechten wurde mit einem Gemälde illustriert, die Grundlage für das gedruckte Buch waren.
Neben der bei »Bertelsmann Chronik« und »Bild« erschienenen »Volksausgabe« gab es noch zwei Künstlerausgaben. In Leder gebunden und mit einem Goldschnitt versehen, zeigt die 2013 erschienene Luxusausgabe im Format 45 x 32 cm das Grundgesetz auf 19 aufklappbare Seiten mit einem Essay von Peter Sloterdijk. Die Auflage war auf 950 signierte und nummerierte Exemplare begrenzt.
Die Gemälde wurden erst 2014, zum 65. Jubiläum der Verabschiedung des Grundgesetzes, erstmals öffentlich ausgestellt. Die Ausstellung im Forum des Paul-Löbe-Haus des Deutschen Bundestages wurde von der Deutschen Post AG gesponsort. Bestandteil der Ausstellung war auch die 2013 entstandene Bronzeskulptur eines antikisierenden Torsos, der in der für den Künstler so typischen, köperbewussten Formensprache auch auf vielen der Gemälde wiederkehrt. Eine 35 Zentimeter große, auf 950 Stück limitierte Auflage des Torsos war auch Bestandteil der Luxusausgabe zusammen mit dem Buch.
Der Maler und Bildhauer Lüpertz sieht im Grundgesetz ein "Idyll" - die Formulierung eines Idealzustands, von dem die Realität mitunter abweicht. So wie das Grundgesetz einen offenen Charakter hat, so wollte auch Lüpertz in seinen Bildern Raum für Interpretationen schaffen.
Jeder der 19 Artikel mit den Grundrechten wurde mit einem Gemälde illustriert. Dabei handelt es sich meist um farbintensive Landschaftsmalereien, die von der Landschaft um sein Atelier in der zweiten Wahlheimat Berlin inspiriert wurde. Stilistisch wählte er die Form seiner späten, stillen, innigen Bilder – anspielungsreich in den Motiven, farbgewaltig in der Komposition. Die Bilder spiegeln ein optimistisches Menschenbild, der Torso zieht sich als Leitmotiv durch alle Variationen.
Beim Gemälde »Artikel 10 GG: Das Briefgeheimnis sowie das Post- und Fernmeldegeheimnis sind unverletzlich« hat Lüpertz das Format geteilt in rechts und links, jedoch in der Mitte die Motive verzahnt, d. h. mit Hilfe von Überschneidungen ineinandergeschoben. Die Landschaft rechts lässt an den französischen Maler Gustave Courbet denken, den Begründer des neueren Realismus in der Malerei. Unter Courbets eindrucksvollen Landschaftsdarstellungen findet sich ein berühmte, heute im Pariser Louvre gezeigtes Bild: Ein Kahn liegt am Strand, vor dem aufgewühlten Meer, über dem ein Gewitter tobt. Dieses Boot lässt Lüpertz als Zitat durch die Bilderreihe zu den Grundrechten wandern. Deutlich hat Lüpertz die dunkle Form des Boots aus dem Courbet-Bild zitiert und das Bedrohliche des Motivs betont. Umso heller erscheint die linke Bildhälfte, die einer ganz anderen Realität zuzugehören scheint. Figur, Himmel und Marmorscheibe schließen sich zu einem leuchtenden Formengebilde zusammen. Im Unterschied zu der Geschlossenheit und Hermetik des Landschaftsausschnitts rechts, dominiert hier eine Bewegung auf den Betrachter hin; er erhält eine Botschaft aus einer anderen Hemisphäre, die sich in Selbstsicherheit und Freiheit ausdrücken kann. Dies wird nicht allein durch die Haltung des Torsos suggeriert, sondern auch durch das delikate Spiel mit den Möglichkeiten der Malerei.
Zitiervorschlag
Gemälde "Grundgesetz Artikel 10: Das Post und Fernmeldegeheimnis ist unverletzlich", 2014; Museumsstiftung Post und Telekommunikation, Inventarnummer: 4.2019.143.1,
URL: https://onlinesammlung.museumsstiftung.de/detail/collection/63c4bc93-a1d5-492e-a47b-02e4a047c902 (zuletzt aktualisiert: 26.11.2024)