Silberschmied
Philipp August Schleissner (1825 - 1891)
Besitzer
Heinrich von Stephan (1831 - 1897)
sonstiger Beteiligter
Thurn & Taxissche Post (1815 - 1867)
Herstellungsort
Hanau, Hessen, Deutschland
Geografischer Bezug
Frankfurt am Main, Hessen, Deutschland
Der 1865 zum Geheimen Postrat beförderte Heinrich von Stephan (1831-1897) war im preußischen Generalpostamt in Berlin vor allem für Verträge und Beziehungen zu den übrigen deutschen und ausländischen Postverwaltungen zuständig. Vor dem Hintergrund der preußischen Expansionsbestrebungen hatte seine Verhandlungstätigkeit immer stärker politischen Charakter. Als 1866 der Deutsche Krieg zwischen Preußen und Österreich ausbrach, veröffentlichte Stephan eine Denkschrift, in der er der preußischen Regierung nahelegte, die Thurn- & Taxis'sche Post in Besitz zu nehmen, sobald es die militärischen Gegebenheiten zuließen.
Am 16. Juli 1866 okkupierten preußische Truppen die Freie Stadt Frankfurt, die sich nicht an dem Krieg gegen Preußen beteiligt hatte und belegten die Stadt mit schärfsten Repressionen. Mit aufgepflanztem Bajonett drangen Soldaten in das Thurn- & Taxis'sche Generalpostamt und das Thurn- & Taxis-Palais ein, um dieses Kommunikationszentrum zu besetzten. Die anti-preußische, thurn- & taxis'schen Oberpostamtszeitung – eine der ältesten Zeitungen der Welt – wurde verboten; ihr Chefredakteur, Hofrat Fischer-Goullet, wurde abgeführt und erlitt bei seiner Vernehmung vor dem Kriegsgericht einen tödlichen Schlaganfall.
Handelsminister Graf Itzenplitz verfügte am 18. Juli 1866 die Entsendung Heinrich von Stephans nach Frankfurt, um die taxis'sche Post zu übernehmen. In Frankfurt eingetroffen, erwirkte er sich vom Oberbefehlshaber General Edwin von Manteuffel einen "Befehl", der ihm die Oberleitung der taxis'schen Postverwaltung übertrug. Stephans erklärtes Ziel war es, »in einem großen Wurf dem fürstlichen Lehensinstitute für alle Zeiten in Deutschland ein Ende zu machen«. Der fortschrittsgläubige Stephan sah als willfähriger Erfüllungsgehilfe preußischer Machtpolitik in der Auflösung der taxis'schen Post die Beseitigung eines »350 Jahre alten Krebsschaden Deutschlands«.
Am 21. Juli 1866 eröffnete Stephan den Mitarbeitern der taxis'schen Generalpostverwaltung ultimativ die Möglichkeit, weiter im Amt zu bleiben, wenn sie sich der siegreichen Macht unterstellten. Für den Fall der Weigerung drohte er mit »schlimmen Folgen«, woraufhin alle den ihnen vorgelegten Revers unterschrieb; lediglich der Generalpostdirektor Eduard Freiherr von Schele trat unter Protest von seinem Amt zurück.
Stephan ist es im Nachhinein gelungen, diesen widerrechtlichen und mit militärischen Mitteln erzwungenen Gewaltakt als großen diplomatischen Erfolg in historischer Mission darzustellen. Stephan brüstete sich: »Ja, diese Tage werden der Geschichte angehören! Es ist das postalische Königgrätz, das hier geschlagen wird, und ich bin der Feldherr«. Die folgenden Verhandlungen mit dem fürstlichen Haus Thurn & Taxis dienten dann nur der nachträglichen Legitimation.
Als sich Stephan am 12. August 1866 im nahen Würzburg mit dem Chef der taxis'schen Gesamtverwaltung von Dörnberg traf, ging es nur noch um die Frage der Entschädigung – die Kassen, die Archive und den gesamten Verwaltungsapparat hatte Stephan ja bereits in Händen. Parallel verhandelte Stephan im Spätsommer mit den nicht von Preußen besetzten Ländern über die Übernahme der taxis'schen Post auch in diesen Staaten. Unter Druck musste Maximlian Karl von Thurn & Taxis die ihm angebotene und mehrfach herabgesetzte Entschädigung akzeptieren.
Am 28. Januar 1867 wurde dann in Berlin der Postabtretungsvertrag unterzeichnet, nachdem die Thurn- & Taxis'sche Post zum 1. Juli 1867 von Preußen übernommen wurde. Am 24. Juni 1866 – kurz vor der offiziellen Übernahme – dankte Stephan allen taxis'schen Postbediensteten, den Beamten der der Generaldirektion und der Distriktsbehörden, die »ihre durch die bewegte Zeit erschwerten Dienstpflichten in ehrenwertester Weise erfüllt« hätten. Artig bedankte sich die Beamtenschaft der taxis'schen Generalpostdirektion mit diesem Silberpokal nebst Dankadresse.
Freilich hatten es die Beamten gut getroffen – bei der Besoldung waren sie nicht schlecht gefahren; ihre Pensionsansprüche hatte der preußische Staat übernommen. In dieser Situation ging es allen Beteiligten darum, die Gräben, die das gewaltsame Vorgehen gerissen hatte, zuzuschütten. Auch Maximilian Karl von Thurn & Taxis verabschiedete sein Personal mit Dank und der Ermahnung »dass sie auch seiner Majestät dem König von Preußen treuergebene Diener sein mögen." Dieser Pokal ermöglichte es Stephan freilich, gezielt an der Legende zu arbeiten, auch die Bediensteten hätten die Auflösung der taxis'schen Post selbst freudig herbeigesehnt.
Die Frankfurter Postbeamten gaben den Pokal im benachbarten Hanau bei dem bekannten Silberschmied Philipp August Schleissner (1825 - 1891) in Auftrag. Hanau hatte sich bereits im 18. Jahrhundert zu einem der Zentren der Silberverarbeitung entwickelt. Der aus Augsburg stammende Vater Schleissners hatte bereits mit der Herstellung von Silber im Augsburger Stil begonnen, jedoch war es Philipp August, mit dem die Massenproduktion von Silberwaren im Renaissance- und Barockstil seinen Höhepunkt erreichte. Seine reich dekorierten, im Stil des Historismus gefertigten Stücke fanden derartig reißenden Absatz, dass Schleissner mit seinem "Hanauer Stil" stilbildend wirkte. Ebenso rationalisierte Schleissner auch die Produktion: Nur anfangs stellte er noch aufwändige handgeschmiedete und ziselierte Stücke her, später ging er dazu über, Teile nur noch zu gießen oder aus dünnem Silberblech zu pressen und zusammenzulöten. Den Preis für diesen Stephan gewidmeten Pokal wird man sich bei derart rationalisierter Fertigung nicht so hoch wie bei einer rein handwerklichen Herstellung vorstellen dürfen.
Der Pokal wurde am 21. April 1926 vom Reichspostmuseum von den Töchtern Heinrich von Stephans (Frau Bürhaus und Frau Wannow) für 4.000 Reichsmark erworben. Der ungewöhnlich hohe Preis erklärt sich zum einen durch die hohe Wertschätzung, die Heinrich von Stephan innerhalb der Post weiterhin genoss, zum anderen war bereits die Witwe Stephans in finanziellen Schwierigkeiten gewesen, denn Stephan hatte zwar zu Lebzeiten seine Dienstbezüge bezogen, frönte aber seiner kostspieligen Jagdleidenschaft, war zeitlebens Postbeamter gewesen und hatte selbst keinerlei Vermögen aufgebaut. Daher hatte das Reichspostmuseum bereits von der Witwe Stephans Orden, Ehrenbürgerbriefe und andere Dokumente erworben, um ihr finanziell unter die Arme zu greifen.
Zitiervorschlag
Silberpokal als Dankesgabe der Mitarbeiter der Thurn & Taxis'schen Post in Frankfurt an Heinrich von Stephan, 1867; Museumsstiftung Post und Telekommunikation, Inventarnummer: 4.0.1786,
URL: https://onlinesammlung.museumsstiftung.de/detail/collection/36511f5c-40b8-4b18-b633-58a360f7df4a (zuletzt aktualisiert: 26.11.2024)