Bezug Darstellung
1837 - 1852
Hersteller
unbekannt
Auftraggeber
Johann Ludwig Schmidt (†1854)
Herstellungsort
Deutschland
Technik
Lithografie; koloriert
Blattmaß (b x h)
398 x 278 mm
Bildmaß (b x h)
361 x 245 mm
Systematik
Kunst/Druckgrafik/Flachdrucke/Federlithografie
Telegrafie/Optische Telegrafie/Flügeltelegraf, Semaphor
Titel
"Der Telegraph (Fernschreibmaschine.) // ein Mittel zur schleunigsten Communication, zuerst von Claude Chappe in Frankreich erfunden ist seitdem wegen seiner Nützlichkeit in allen der Culturförderlichen // Staaten mehr und mehr in Aufnahme gekommen. Chappe´s Telegraph, Figur A, giebt viele Zeichen ist jedoch sehr complicirt, erfordert daher viel Uebung.- Zu einfach // dagegen ist der englische Küsten-Telegraph Fig. B. mit nur 6 Zeichen durch einfache u. 21 durch doppelte Bewegung, der englische Nacht-Telegraph Fig. C // hat eben so viele Zeichen.- Der preußische Telegraph Fig. D. liefert zwar Signale genug, die jedoch mehr Deutlichkeit, leichtere Anordnung und Wohlgefälligkeit // wünschen lassen.- Der hamburgisch-altonaische Telegraph Fig. E. (kaufmännischer Wirksamkeit gewidmet) dessen Grundzeichen ein Kreutz von bedeutender // Grösse, zeigt durch einfache Bewegung 33 durch geringe Complicirung viele hunderte und gestattet jede Mittheilung weithin, schnell und correct." (gedruckt)
mit Bleistift
"VIII. 18." (unten links)
mit Bleistift
"Verschiedene optische Telegraphen // und ihre Zeichen - // 103" (Rückseite)
mit Bleistift
"opt. Telegr. 5.2.1 // G 13505" (Rückseite)
mit Bleistift
"[Schrank] III // [Fach] F // Mappe 2 // Nr. 11.1" (Rückseite)
Schlagworte
Optische Telegrafie, Schmidt, Johann Ludwig, Murray, George, Pistor, Carl, Chappe, Claude, Holztelegraph
Die Lithografie stellt eine Reihe opto-mechanischer Systeme vergleichend gegenüber, wie sie seit dem ausgehenden 18. Jahrhundert in Europa zur codierten Nachrichtenübermittlung erfunden und eingesetzt wurden. Erst die Erfindung und Weiterentwicklung des Fernrohrs hatte am Anfang des 17. Jahrhunderts den Nährboden für die Entstehung der modernen optischen Telegrafie geliefert. Erstmals seit der Antike konnten nun komplexe Nachrichten mittels optischer Signale über weite Strecken übermittelt werden, da die Zeichen durch Fernrohre abgelesen werden konnten. In der Folgezeit wurden verschiedene Ideen zur technischen Realisierung entwickelt. Sie umfassten eine Konstruktion aus Tafeln oder Flügeln, die mittels Seilen und Kurbeln verstellt wurden. Die so verstellbaren Zeichen übermittelten meist einzelne Buchstaben oder Ziffern, die Dank geheimer Codebücher ganze Sinneinheiten oder -abschnitte chiffrierten. Bis auf vereinzelte Ausnahmen standen die realisierten Systeme alle unter staatlicher Aufsicht und waren nicht öffentlich nutzbar. Die Erfindung der elektro-magnetischen Telegrafie überholte schließlich die noch junge Nachrichtentechnik der optischen Telegrafie. So wurde beispielsweise in Deutschland ab 1848 die optische Telegrafenlinie zwischen Berlin und Koblenz auf elektrischen Betrieb umgestellt und zur selben Zeit schloss in Norddeutschland die Linie Cuxhaven-Hamburg.
Um ein zentrales Bildfeld sind mehrere rechteckige Felder rahmend angelegt. Unten in der Mitte ist ein erläuternder Text angebracht, der die optischen Telegrafen kurz verortet und einige Erfinder und Entwickler erwähnt. In der Mitte rechts ist als Figur A der Telegraf französischer Bauart abgebildet, der 1794 von Claude Chappe mit einer Versuchsstrecke zwischen Paris und Lille erstmals eingerichtet wird. Unter dem schematisierten Stationsdach mit dem Telegrafen, der Station auf dem Louvre in Paris nachempfunden, sind 12 mögliche Zeichen abgebildet. Rechts davon ist in Figur D der preußische Telegraf mit seinen drei übereinander angeordneten Flügelpaaren zu sehen. Er wurde nach den Plänen von Karl Philipp Heinrich Pistor ab 1832 zwischen Berlin und Koblenz errichtet. Unten rechts zeigt Figur B den englischen Küstentelegrafen, dessen erste Linie ab 1796 nach den Plänen von Lord Georg Murray gebaut wurde. Murrays "six shutter semaphor" umfasste sechs Klappen, die in zwei Reihen um eine Mittelachse drehbar angeordnet waren. Die Version eines englischen Nachttelegrafen mit sechs Gaslampen und die dazugehörigen Zeichenbeispiele sind unten links als Figur C bezeichnet. Die Darstellung orientiert sich direkt an einer Veröffentlichung aus dem Mechanics' Magazine bzw. Dinglers Polytechnischem Journal aus dem Jahr 1826.
Im Zentrum der Lithografie steht die Zeichentafel des Hamburg-Altonaer-Telegrafen, der ab 1837 durch Johann Ludwig Schmidt, einem Altonaer Unternehmer, als erste und einzige privat geführte optische Telegrafenlinie in Deutschland eingerichtet wird. Der Aufbau des Telegrafen-Kreuzes ist links großzügig als Figur E zu sehen. Die beiden horizontalen Arme des Kreuzes sind dabei unbeweglich montiert. Allein der obere, stehende Arm des Kreuzes ist über einen zentralen Klapp- oder Drehmechanismus beweglich. Er ist dadurch in zwei Positionen (sichtbar oder nicht sichtbar) verstellbar. Von der Basis des Telegrafen her können fünf weitere vertikale Balken senkrecht in das Kreuz hineingeschoben werden. Unterhalb der Balken sind Seile und Rollen abgebildet, mit denen die Zeichen gestellt werden. 40 der möglichen Telegrafenstellungen sind auf der zentralen Tafel als Zeichen abgebildet. Die abgebildete Form des Telegrafen entspricht dabei nicht dem Typ, wie er ab 1837 an der Elbe zwischen Cuxhaven und Hamburg und kurz darauf an der Weser zwischen Bremerhaven und Bremen zum Einsatz kommt. Zwar stimmt die Form aus einem einfachen Kreuz, jedoch waren die drei freien Arme des Kreuzes um ihre äußere Seite herum schwenkbar. Im Vergleich dazu ist der abgebildete Schmidt-Telegraf deutlich komplizierter und es ist fraglich, ob die kleinen Details durch die eingeschobenen zusätzlichen Balken auf weite Entfernung tatsächlich gut zu sehen wären.
Die Diskrepanz zwischen der tatsächlichen Ausführung und der hier dargestellten Form des norddeutschen optischen Telegrafen verwundert. Vermutlich ist die Lithografie kurz vor Start der Elbelinie entstanden. Schmidt, der von Anfang an das Unternehmen privatwirtschaftlich aufbaut, nutzt immer wieder die Presse und die Öffentlichkeit, um auf sein Geschäft aufmerksam zu machen (Vgl. dazu auch die Bemerkungen zu Schmidts "Volkstelegraphen", Inv.Nr. 4.2012.518). Insofern ist es denkbar, dass die Lithografie gezielt zu Werbezwecken in Umlauf gebracht wurde. Die Tatsache, dass die Telegrafentechnik und ihre Funktionsweise nicht korrekt abgebildet ist, liegt möglicherweise daran, dass der Betrieb im Aufbau begriffen ist und die technischen Ausführungen noch im Entstehen sind.
So erklärt sich auch die einseitige Darstellung des Abbildungstextes, der den Hamburger Telegrafen als am technisch ausgereiftesten hervorhebt. Die kurzen kritischen Bemerkungen zu den anderen Systemen wirken konstruiert und strategisch positioniert. So wird der französische Telegraf als "sehr compliciert" beschrieben. Die "geringe Complicierung", die den Hamburgischen Telegrafen im Gegensatz dazu laut Verfasser auszeichnet, wirkt dagegen wenig überzeugend. Der englische Küstentelegraf sei wiederum "zu einfach" und dem preußischen Telegrafen mangele es an Deutlichkeit, leichterer Anordnung und Wohlgefälligkeit [sic!]. Allein der Hamburger Telegraf zeichne sich durch "kaufmänische Wirksamkeit" aus, und vermag es, mit seinem "Kreutz von bedeutender Grösse (...) schnell und correct" Nachrichten zu befördern.
Vgl. eine nicht-kolorierte Version unter Inv.Nr. 4.2012.562.
Zitiervorschlag
kolorierte Lithografie: "Der Telegraph (Fernschreibmaschine)", grafische Gegenüberstellung verschiedener optischer Telegrafensysteme, darunter die von Schmidt, Chappe, Murray und Watson/Pistor, 1830 - 1852; Museumsstiftung Post und Telekommunikation, Inventarnummer: 4.2012.449,
URL: https://onlinesammlung.museumsstiftung.de/detail/collection/0747f8dd-6d41-4d35-85aa-b4cb9f14dce3 (zuletzt aktualisiert: 26.11.2024)